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Erlebnisse in der Emigration


Als Leon Askin im Jahre 1938 zum zweiten Mal emigrieren musste, brachte ihn sein Bruder Dodi zum Bahnhof.

"Dodi und ich kamen zum Westbahnhof. Auf dem Bahnsteig waren viele Menschen, auch viele SA- und SS-Leute. Attila Hörbiger und seine Frau Paula Wessely waren da, um sich von ihren Freunden Hans Jaray und Lili Darvas zu verabschieden. Hans Jaray, der bereits in seinem Abteil gesessen war, erblickte mich auf dem Perron und rief mir zu: `Aschkenasy ... Wo fahren Sie denn hin?´ Kaum hatte er das gesagt, war ihm auch bewusst geworden, dass er mich dadurch sehr exponiert hatte."

An der österreichischen Grenzstation in Feldkirch wurde Askin aus dem Zug geholt und von zwei deutschen Gestapo-Leuten verhört.

"`Wohin fahren Sie?´ schnauzte mich der eine an. Ich hatte ziemliche Angst, es gelang mir aber, ruhig zu antworten: `Nach Hause!´ – `Was heißt nach Hause?´ schrie er mich an. Ich zeigte ihm meinen Pass, wo als Wohnort noch immer 3, rue Dobropol, Paris 16ième stand. (...) Das sind die komischen Zufälle, die einem das Leben retten. Ich bin ein schlamperter Wiener – und Wien hat mir das Leben gerettet – meine schlamperte Wienerei."

Im September 1939 kam Leon Askin in das französische Internierungslager Meslay du Maine.

"Unser Lager in Meslay du Maine war kein Konzentrationslager, das Leben und Überleben hing dort von anderen Faktoren ab: Man wollte uns nicht vernichten, aber man demütigte und demoralisierte uns. Wir – Hitlergegner und Flüchtlinge – konnten es nicht verstehen, dass die Exilländer nicht unterscheiden wollten zwischen den Nazi-Aggressoren und denjenigen, die von diesen aus der Heimat vertrieben worden waren. Vor uns hätten sie sich nicht schützen müssen, wir waren doch selbst schutzbedürftig."

"An Samstagabenden organisierte ich gemeinsam mit dem Opernsänger Telasco und Karl Farkas Lieder- und Kabarettabende. Ich sang dabei auch Jura Soyfers `Voll Hunger und voll Brot ..´. Farkas schreib eine Revue mit dem Titel `Meslay lacht wieder´. Er paraphrasierte seinen großen Wiener Erfolg `Wien lacht wieder´. Telasco hat a capella Puccini und Verdi gesungen. Diese Abende waren äußerst erfolgreich, wir hatten immer `volles Haus´. Als Organisatoren freuten wir uns ebenso auf diese Samstagabende wie die übrigen Lagerinsassen, die das Publikum stellten. Für uns alle waren das Momente, wo wir unseren fremdbestimmten Alltag vergessen konnten, wo wir uns wieder in jene früheren Lebewesen verwandeln konnten, die wir einmal gewesen waren; bevor wir aus der Heimat vertrieben und im Emigrationsland zu Häftlingen degradiert worden waren. Vor langer Zeit, so schien es uns, waren auch wir einmal nützliche Mitglieder der Gesellschaft mit vielfältigen Interessen."

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